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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats Oktober 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Aufwendungen für Erststudium und Erstausbildung abziehbar

2.

Erlöschen krankheitsbedingt nicht gewährter Urlaubsansprüche

3.

Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Grundstücke ab 2011

4.

Aufwendungen für Besuch einer Hochbegabtenschule als außergewöhnliche Belastung

5.

Vergütung für Praktikum zählt zu schädlichen Einnahmen für Kindergeld

6.

Besteuerung nach Alterseinkünftegesetz gilt auch für rückwirkende Rentennachzahlung

7.

Zeitliche Grenzen des Verlustvortrags bei Verjährung der Feststellung

8.

Die Option zur Umsatzsteuer bei Grundstücksvermietungen

9.

Erben kann Umsatzsteuer auslösen

10.

Zur Ansparrücklage nach Realteilung einer GbR

11.

Vorsätzliche Manipulation der Arbeitszeiterfassung rechtfertigt fristlose Kündigung

12.

Verkauf eines Gewerbebetriebs im Nachlass durch den Verwalter innerhalb der Sperrfrist ist schädlich

13.

Beamte dürfen streiken

14.

Schuldrechtliche Abreden gelten nicht bei Betriebsübergang

15.

Zur Höhe der Abfindungszahlung für ausgeschiedenen GbR-Gesellschafter

16.

Keine Arbeitnehmer-Haftung bei Strafanzeigen gegen Arbeitgeber

17.

HIV Infektion ist (für sich genommen) keine Behinderung

18.

Fristlose Kündigung bei erheblichem Überziehen der Pausenzeiten

19.

Kein zwangsläufiger Gestaltungsmissbrauch bei inkongruenter Gewinnausschüttung

20.

Tatsächliche Durchführung eines Treuhandvertrags unter Ehegatten



1. Aufwendungen für Erststudium und Erstausbildung abziehbar

Kernproblem
Die Behandlung der Kosten der erstmaligen Berufsausbildung und des Erststudiums beschäftigt seit geraumer Zeit die Gerichte. Nach einer Änderung der Rechtsprechung im Jahr 2002 unterscheidet der Bundesfinanzhof (BFH) nicht mehr zwischen Aus- und Fortbildung, sondern stellt auf den Veranlassungszusammenhang ab. So konnten bis zum Jahr 2003 auch Kosten des Erststudiums als Werbungskosten abzugsfähig sein oder Verluste als Verlustvorträge festgestellt werden. Mit einer Änderung des EStG wollte der Gesetzgeber dann wieder ab 2004 die alte Rechtslage herstellen und ordnete solche Kosten der privaten Lebensführung zu, deren Förderung als Sonderausgaben auf 4.000 EUR eingeschränkt ist (damit auch Wegfall eines Verlustausgleichs für negative "Einkünfte"). Etwas anderes gilt nur für die im Zusammenhang mit einem Ausbildungs-Dienstverhältnis anfallenden Aufwendungen (z. B. Fachhochschulen der Beamten, Referendare), die weiterhin unbeschränkt als Werbungskosten abzugsfähig sind. Dann herrschte erst einmal Ruhe, bis der BFH trotz neuer Gesetzeslage einigen Studenten mit vorher abgeschlossener Berufsausbildung den Werbungskostenabzug gewährte (Buchhändlerin/Lehramt, Hotelfachfrau/Tourismusmanagement, Bürokaufmann/Betriebswirt, Koch/Hotelmanagement). Anschließend wurden auch Fälle beim BFH anhängig, bei denen das Studium oder die Ausbildung unmittelbar nach der Schulausbildung begann.

Entscheidung
Der BFH entschied jetzt im Fall der Ausbildung eines Berufspiloten, dass die entstanden Aufwendungen von ca. 28.000 EUR dem Grunde nach vorweggenommene Werbungskosten für eine künftige nichtselbstständige Tätigkeit als Pilot seien. Einer Medizinstudentin, die unmittelbar nach dem Abitur das Studium aufgenommen hatte, bescheinigte er den Veranlassungszusammenhang zum Beruf, soweit das Studium Berufswissen vermittle und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sei. Für weitere Untersuchungen wurden beide Fälle an die Finanzgerichte zurückverwiesen.

Konsequenz
Dem Gesetzgeber sind bei der einschränkenden Gesetzesänderung handwerkliche Fehler unterlaufen. Auslöser ist die Regelung in der als Trostpflaster gedachten Zuordnung als Sonderausgaben, die begrifflich erst dann zum Zuge kommt, soweit nicht vorrangig ein Abzug als Werbungskosten in Betracht kommt. Die Einschränkung läuft dann bei beruflichem Zusammenhang ins Leere. Anders wäre es gewesen, wenn die Regelung bei den nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben/Werbungskosten angesiedelt gewesen wäre. Wie das Bundesministerium der Finanzen auf seiner Homepage ankündigte, prüft es zurzeit die gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Gestaltungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Eckpunkte, die der BFH in seinem Urteil vorgegeben hat.

Empfehlung
Unter Beachtung von Verjährungsfristen ist grundsätzlich noch die Beantragung von Verlustfeststellungen ab 2004 möglich, soweit nicht bestandskräftige Bescheide entgegenstehen.

2. Erlöschen krankheitsbedingt nicht gewährter Urlaubsansprüche

Rechtslage
Insbesondere eine jüngere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat dazu geführt, dass Verunsicherung im Bereich der Urlaubsansprüche besteht. Es gilt, dass der gesetzliche Mindestanspruch, wenn er wegen Krankheit nicht genommen werden kann, nicht verfällt und während der Krankheit weiter anwächst. Seither sind krankheitsbedingt nicht genommene Urlaubsansprüche ständiges Thema arbeitsgerichtlicher Entscheidungen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte zuletzt darüber zu entscheiden, ob solche Urlaubsansprüche bei Wiederaufnahme der Arbeit den normalen Befristungsregelungen unterliegen, nach denen nicht genommener Jahresurlaub bis längstens zum 31.3. des Folgejahres übertragen werden kann, wenn eine diesbezügliche Vereinbarung besteht.

Sachverhalt
Der Kläger, dessen Urlaubsanspruch 30 Tage im Jahr betrug, der aber nicht ins Folgejahr übertragbar war, war zwischen Januar 2005 und Juni 2008 dauerhaft erkrankt. Nach seiner Rückkehr in den Beruf gewährte ihm der Arbeitgeber im Jahr 2008 insgesamt 30 Urlaubstage. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass ihm aus den Jahren 2005 bis 2007 noch 90 Urlaubstage zustünden.

Entscheidung
Das BAG wies die Klage ab. Zwar blieben die wegen der Krankheit nicht genommenen Urlaubsansprüche erhalten. Allerdings würden diese krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaubsansprüche bei Rückkehr zur Arbeit nicht anders behandelt als "normale" Urlaubsansprüche. Das heißt, sie unterliegen nach Rückkehr in die Tätigkeit den gleichen Verfallfristen, so dass sie am 31.12.2008 untergegangen seien.

Konsequenz
Die Entscheidung stellt klar, dass krankheitsbedingt nicht genommene Urlaubsansprüche "normalen" Urlaubsansprüchen gleich gestellt sind. Sie werden nicht bevorzugt behandelt, insbesondere wandeln sie sich nicht in einen Abgeltungsanspruch um. Offen gelassen hat das Bundesarbeitsgericht allerdings die - aus einem anderen Verfahren heraus beim Europäischen Gerichtshof anhängige - Frage, ob und in welchem Umfang Urlaubsansprüche über Jahre hinweg angesammelt werden können. In einem Parallelurteil unterstellte das BAG den Urlaubsabgeltungsanspruch den arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarten Verfall- oder Ausschlussfristen. Der Abgeltungsanspruch entstehe mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und sei kein "fortgesetzter" Urlaubs-, sondern reiner Geldanspruch, so dass er Verfall- und Ausschlussfristen zugänglich sei. Ohne eine entsprechende Klausel käme es beim Abgeltungsanspruch zur Regelverjährung von 3 Jahren.

3. Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Grundstücke ab 2011

Rechtslage
Zum 1.1.2011 wurde der Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Grundstücke, d. h. für solche, die sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische Zwecke genutzt werden, neu geregelt. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung kann nunmehr für den Teil des Grundstücks, der nichtunternehmerisch, also z. B. privat genutzt wird, kein Vorsteuerabzug mehr geltend gemacht werden (Ende des Seeling-Modells). Im Gegenzug entfällt insoweit die Besteuerung einer Entnahme.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) an die neue Rechtslage angepasst. In Abschn. 15.6a UStAE werden die wesentlichen Aussagen hierzu getroffen.

Konsequenzen
Die neue Verwaltungsauffassung ist grundsätzlich zu beachten. Für die Praxis besonders wichtig ist, dass gemischt genutzte Grundstücke, unabhängig von der Beschränkung des Vorsteuerabzuges, unverändert in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden können und sollten. Denn hierdurch erhält der Unternehmer sich die Chance auf eine Vorsteuerkorrektur zu seinen Gunsten, wenn die unternehmerische Nutzung später ausgeweitet oder das Grundstück steuerpflichtig veräußert wird. Es ist allerdings zu beachten, dass das BMF eine vollständige Zuordnung zum Unternehmensvermögen nur akzeptiert, wenn diese dem Finanzamt schriftlich mit Abgabe der Voranmeldungen mitgeteilt wird. Auch wenn hierzu noch eine Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aussteht, sollte der Auffassung des BMF gefolgt werden, um unnötigen Ärger zu vermeiden.

4. Aufwendungen für Besuch einer Hochbegabtenschule als außergewöhnliche Belastung

Kernproblem
Eigene Krankheitskosten sind als außergewöhnliche Belastungen einkommensteuerlich absetzbar, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen. Das gilt auch für Krankheitskosten eines unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindes des Steuerpflichtigen. Die strengen Anforderungen an den Nachweis sind zuletzt durch den Bundesfinanzhof (BFH) gelockert worden, nachdem die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens nicht mehr Voraussetzung ist. Ob jetzt hierunter aber auch die Aufwendungen für den (medizinisch empfohlenen) Besuch einer Schule für Hochbegabte fallen?

Sachverhalt
Bei einem Kind war ein IQ von 133 festgestellt worden. Trotz übersprungener Grundschulklassen verhielt sich der Junge anschließend auf dem Gymnasium auffällig und aggressiv. Der Allgemeine Sozialdienst und die Hausärztin des Kindes empfahlen den Besuch einer Hochbegabtenschule in Schottland, weil eine solche Schule für die Altersgruppe in Deutschland nicht verfügbar war. Die therapeutische Notwendigkeit zur Vermeidung seelischer und sozialer Schäden wurde bescheinigt. Nachdem bereits ein Großteil der insgesamt in 2 Streitjahren angefallenen Schul- und Internatskosten von fast 50.000 EUR aufgelaufen waren, bestätigte auch ein nachträglich hinzugezogener Amtsarzt die Diagnose. Noch unter Einfluss der alten Rechtsprechung verwehrten aber Finanzamt und Finanzgericht (FG) den steuerlichen Abzug.

Entscheidung
Beim BFH kam es aufgrund der neuen Rechtsprechung zu dem erwartenden Zurückverweis an das Finanzgericht, weil der Nachweis nicht mehr zwingend vor Beginn der Behandlung geführt werden muss. Das FG hat zu prüfen, ob der Besuch der schottischen Schule wegen der Hochbegabung des Kindes medizinisch angezeigt war. Ist das der Fall, sehen die BFH-Richter die geltend gemachten Kosten durchaus als unmittelbare Krankheitskosten an. Dies gelte dann auch für Kosten einer auswärtigen Internatsunterbringung, wenn diese der Krankheit geschuldet würde, selbst wenn die Unterbringung zugleich der schulischen Ausbildung diene.

Konsequenz
Angesichts des bereits vorliegenden amtsärztlichen Gutachtens bestehen gute Erfolgsaussichten. Der BFH stellt jedoch in Frage, ob sich hieraus die Notwendigkeit der gesamten Dauer des Schulbesuchs ergebe.

5. Vergütung für Praktikum zählt zu schädlichen Einnahmen für Kindergeld

Kernproblem
Für ein studierendes Kind kann u. a. dann Kindergeld gezahlt werden, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Betrag von zurzeit 8.004 EUR im Jahr nicht übersteigen. Wird auch nur um 1 Euro überschritten, fällt das Kindergeld komplett weg. Während sich der Begriff der Einkünfte an den steuerlichen Einkunftsarten orientiert, sind Bezüge Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden. Bei einem Streit, den Eltern mit der Familienkasse führten, ging es jetzt darum, ob eine während des Studiums bezogene Auslandspraktikumsvergütung zu den schädlichen Einnahmen zählt und wie ggf. damit zusammenhängende Kosten für Miete und Verpflegungsmehraufwand zu behandeln sind.

Sachverhalt
Im Streitfall absolvierte das Kind ein berufsbezogenes halbjähriges Praktikum in den USA. Hierfür unterbrach es sein Studium in Deutschland und gab die Wohnung am Studienort auf. In den USA wurde ein möbliertes Zimmer angemietet und der Lebensmittelpunkt unverändert im Haus der Eltern beibehalten. Weil das Informatik studierende Kind bereits inländische selbstständige Einkünfte bezog, hätte die Berücksichtigung der Praktikantenvergütung als anzurechnende Bezüge zum Übersteigen des Jahresgrenzbetrags geführt, wenn nicht auch die in den USA entstandenen Miet- und Verpflegungsmehraufwendungen abgezogen werden konnten. Dieser Auffassung war die Familienkasse und verlangte das Kindergeld zurück. Das Finanzgericht dagegen wollte die Kosten berücksichtigen, so dass nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden musste.

Entscheidung
Der BFH gab der Familienkasse Recht. Dabei war entscheidungserheblich, dass das Kind die Wohnung am Studienort aufgegeben hatte, denn damit konnten die Miet- und Verpflegungsmehraufwendungen nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der doppelten Haushaltsführung bei der Ermittlung der Auslandseinkünfte abgezogen werden. Auch ein Abzug als Reisekosten scheiterte daran, dass das (unterbrochene) Studium mit der Uni als regelmäßige inländische Ausbildungsstätte keiner Einkunftsart zuzurechnen war. Schließlich sei nach Auffassung der Richter bereits im Jahresgrenzbetrag der unschädlichen Einkünfte von zurzeit 8.004 EUR der erhöhte Lebensbedarf eines auswärts untergebrachten Kindes in Ausbildung berücksichtigt.

Konsequenz
Als das Urteil ergangen ist, war noch nicht die geänderte Rechtsprechung des BFH zu den Aufwendungen eines Erststudiums verkündet. Mittlerweile stellen diese Werbungskosten dar.

6. Besteuerung nach Alterseinkünftegesetz gilt auch für rückwirkende Rentennachzahlung

Kernproblem
Leibrenten aus gesetzlichen Rentenversicherungen werden seit Geltung des Alterseinkünftegesetzes ab 2005 mit mindestens 50 % besteuert. Bereits mit Einführung des Gesetzes fühlten sich viele Bestandsrentner verschaukelt, die auf einmal mehr als das Doppelte an Steuern zahlen mussten, aber von dem als Kompensation gedachten erhöhten Sonderausgabenabzug nichts mehr hatten. Der Schrei nach Gerechtigkeit verschallte jedoch recht bald, denn die Richter ließen dem Staat zur verfassungsrechtlich geforderten Beseitigung der steuerlichen Ungleichbehandlung von Rentnern und Pensionären erheblichen Spielraum. Wie mag sich jetzt erst eine Rentnerin fühlen, der nach Antrag im Februar 2003 erst 2 Jahre später nach vorheriger Ablehnung eine Rentennachzahlung bewilligt wurde, was eine Differenz im Besteuerungsanteil von 46 % ausmachte?

Sachverhalt
Im Februar 2003 hatte die damals 51jährige eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Der Antrag wurde zunächst abgelehnt und erst 2 Jahre später im Februar 2005 von der Rentenversicherung Bund rückwirkend bewilligt. Die Rentennachzahlungen von ca. 10.700 EUR wurden vom Finanzamt mit dem Anteil von 50 % besteuert. Das war im krassen Gegensatz zur Meinung der Rentnerin, denn nach der alten Gesetzeslage hätte der Ertragsanteil nur 4 % betragen dürfen; ferner hatte sie die Verzögerung nicht zu verantworten. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hatte ein Einsehen und entschied, dass Nachzahlungen für eine Zeit vor dem Inkrafttreten des Systemwechsels jedenfalls dann noch nach der alten Rechtslage zu besteuern seien, wenn der Steuerpflichtige seine Rente so frühzeitig beantragt habe, dass er die Zahlungen vor dem Jahr 2005 hätte erwarten können. Jetzt musste der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.

Entscheidung
Der BFH sah für die vom FG zur Hilfe genommene teleologische Reduzierung, die eine verdeckte Regelungslücke voraussetzt, keine materiell- und verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Die Richter waren der Auffassung, das Fehlen einer gesetzlichen Ausnahmeregelung für Rentennachzahlungen deute vielmehr daraufhin, dass der Gesetzgeber eine solche nicht für nötig gehalten habe. Ansonsten hätte er ähnlich der Sonderregelungen für den Zufluss von Arbeitslohn oder regelmäßig wiederkehrender Einnahmen entsprechende Ausnahmen in das Gesetz aufgenommen.

Konsequenz
Man ist geneigt anzunehmen, dass der BFH hier den Gesetzgeber überschätzt. Auch sein Hinweis, dass man ab Verkündung der Neuregelung am 5.7.2004 auf die Beschleunigung des Rentenverfahrens hätte hinwirken können, überzeugt nicht. So gesellt sich zum Zinsschaden durch die verspätete Auszahlung noch ein Steuerschaden.

7. Zeitliche Grenzen des Verlustvortrags bei Verjährung der Feststellung

Kernproblem
Im Zusammenhang mit dem "Hin und Her" des Gesetzgebers bei der Frage der steuerlichen Berücksichtigung von Ausbildungskosten als vorweggenommene Werbungskosten, verbunden mit der Möglichkeit einer Verlustfeststellung und späteren Berücksichtigung in einem Jahr mit positiven Einkünften, haben sich verfahrensrechtliche Fragen ergeben. Diese wurden vor einigen Jahren anhängig, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) entgegen der bis dahin geltenden ständigen Rechtsprechung den Abzug von Ausbildungskosten als Werbungskosten zuließ. Das betraf auch einen Piloten, der im Jahr 2006 auf die Idee kam, Ausbildungskosten für die Jahre 1997 bis 1999 von ca. 168.000 DM geltend zu machen.

Sachverhalt
Der Pilot hatte für die Streitjahre 1997 und 1998 keine Einkommensteuererklärungen abgegeben. Damit waren diese beiden Jahre, in denen ca. 151.000 DM der Kosten angefallen waren, bereits zum Zeitpunkt der Verlustbeantragung unstreitig verjährt. Hier lehnte das Finanzamt die Verlustfeststellung ebenso ab, wie für das Jahr 1999, weil hierfür im Jahr 2000 ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid von Null ergangen war. Ab dem Jahr 2000 wurden die Früchte der Ausbildung geerntet und wesentlich höhere (die Ausbildungskosten der Vorjahre übersteigende) Einkünfte erzielt. Die Einkommensteuerbescheide dieser Jahre waren jedoch auch bereits bestandskräftig. Nachdem das Finanzgericht die Auffassung des Finanzamts bestätigte, ging es zum BFH. Das Hauptargument des Piloten war ein Verweis auf die Abgabenordnung, denn hier steht geschrieben, dass eine (Verlust-)Feststellung trotz Verjährung noch möglich ist, wenn sie für eine andere Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, die noch nicht verjährt ist.

Entscheidung
Der BFH bezieht die vom Gesetz geforderte "Bedeutung" der Feststellung nicht nur auf denselben oder den unmittelbar anschließenden Veranlagungszeitraum, sondern auch mittelbar auf spätere Jahre. Bis hierhin sprach noch alles für den Piloten, obwohl die normale Verjährung nach Auffassung des Senats eingetreten war. In der Folge machte es der BFH jedoch zur Voraussetzung, dass sich die Verluste nicht auswirken konnten. Dabei sei der Ausdruck "konnten" materiell-rechtlich, und nicht verfahrensrechtlich zu verstehen. Im Ergebnis sind solche Verluste gerettet, die sich in den vorangegangenen Jahren deswegen nicht auswirken konnten, weil kein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte zur Verrechnung vorlag. Hier wurde dem Piloten dann das gute Einkommen der späteren Jahre zum Verhängnis, in denen der Verlust komplett aufgebraucht worden wäre.

Konsequenz
Auch wenn der Streitfall nicht zum Erfolg führte, wird deutlich, dass sich bei einer begünstigenden Änderung der Rechtsprechung durchaus der Blick in vergangene Jahre lohnen kann. Das gilt nach der jüngsten Entscheidung des BFH zu den Kosten des Erststudiums umso mehr.

8. Die Option zur Umsatzsteuer bei Grundstücksvermietungen

Rechtslage
Die Vermietung von Grundstücken ist grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Diese Befreiung hat allerdings zur Konsequenz, dass ein Abzug von Vorsteuerbeträgen, die in Verbindung mit der Vermietung stehen, z. B. aus den Herstellungskosten des Gebäudes, nicht möglich ist. Um dies zu vermeiden, können die Vermieter auf die Steuerbefreiung verzichten. Dies ist allerdings nur möglich, soweit die Vermietung an Unternehmer für deren Unternehmen erfolgt und diese zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe erläutert in einer aktuellen Verfügung, ob und in welchem Umfang eine Option zur Umsatzsteuer möglich ist, wenn der Mieter das Grundstück nicht in vollem Umfang für sein Unternehmen nutzt bzw. zu Zwecken die den Vorsteuerabzug zulassen.

Konsequenzen
Die Verfügung sollte in der Praxis beachtet werden, wenn im Rahmen der Vermietung von Immobilien die Option zur Umsatzsteuer zur Debatte steht. Wird optiert, so ist den Vermietern zu raten, sich in solchen Fällen durch die Verwendung von geeigneten Umsatzsteuerklauseln im Mietvertrag dagegen abzusichern, dass der Mieter die Immobilie anders nutzt als zugesichert. Hierdurch kann dem Risiko begegnet werden, dass der Vorsteuerabzug des Vermieters durch eine nicht geplante Nutzung der Immobilie durch den Mieter gefährdet wird. Zusätzlich ist zu beachten, dass ein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten einer Immobilie grundsätzlich voraussetzt, dass die Immobilie rechtzeitig dem Unternehmensvermögen zugeordnet wird. Die Entscheidung hierüber muss schon bei Bezug der Eingangsleistungen fallen und gegenüber der Finanzverwaltung dokumentiert werden und nicht erst wenn über die Option entschieden wird. Aufgrund der Komplexität der Materie sollte ein Angehhöriger der steuerberatenden Berufe diesbezüglich so früh wie möglich zu Rate gezogen werden.

9. Erben kann Umsatzsteuer auslösen

Rechtslage
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte Anfang 2010 entschieden, dass Erben durchaus der Umsatzsteuer unterliegen können, auch wenn sie das Unternehmen des Erblassers nicht weiter führen. Eine Stellungnahme seitens der Finanzverwaltung zu dem Urteil blieb bisher aus.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a. M. folgt nun grundsätzlich dem BFH. Demnach wird der Erbe durch den Erbfall nicht Unternehmer, sondern nur dann, wenn er selbst unternehmerisch tätig wird, z. B. durch Weiterführung des geerbten Unternehmens. Liquidiert er hingegen das Unternehmen, so muss er die umsatzsteuerlichen Folgen aus der Liquidation tragen, soweit diese auch beim Erblasser angefallen wären. Veräußert er z. B. Wirtschaftsgüter, die dem Unternehmensvermögen zuzurechnen sind, so unterliegt er insoweit der Umsatzsteuer. Gleiches gilt für den Fall der Entnahme von Unternehmensvermögen, soweit diese Entnahme beim Erblasser ebenfalls zur Umsatzsteuer geführt hätte. Im Gegenzug steht dem Erben der Vorsteuerabzug sowohl aus Leistungsbezügen zu, die noch von dem Erblasser veranlasst wurden, als auch für Leistungen, die er im Zusammenhang mit der Liquidation des Unternehmens bezieht.

Konsequenzen
Wer erbt muss klären, ob die Erbmasse Unternehmensvermögen enthält. Ist dies der Fall, so muss der Erbe damit rechnen, dass der Verkauf bzw. die Entnahme des Unternehmensvermögens der Umsatzsteuer unterliegt, auch wenn er das Unternehmen nicht weiter führt. Ob Umsatzsteuer anfällt richtet sich alleine danach, wie die Veräußerung bzw. Entnahme noch zu Lebzeiten des Erblassers zu behandeln gewesen wäre.

10. Zur Ansparrücklage nach Realteilung einer GbR

Kernproblem
Bis einschließlich 2006 konnten bilanzierende Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparrücklage). Im Jahr der Anschaffung/Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts wurde die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst. Bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn zulässigerweise durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelten und bei denen insoweit keine Rücklagen gebildet werden konnten, trat an die Stelle der Rücklagenbildung/-auflösung ein entsprechender Betriebsausgabenabzug bzw. eine entsprechende Betriebseinnahme.

Sachverhalt
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, übte seine Tätigkeit gemeinsam mit einem weiteren Rechtsanwalt in einer Sozietät (GbR) aus. 2004 trennten sich die Gesellschafter im Wege der Realteilung. Der Mandantenstamm der Sozietät ging zu gleichen Teilen auf die beiden Gesellschafter über. Die übrigen Wirtschaftsgüter, wie Mobiliar und Fachliteratur, führten der Kläger und sein ehemaliger Mitgesellschafter jeweils zu Buchwerten in ihren Einzelpraxen fort. In der Gewinnfeststellungserklärung der Sozietät für 2003, die erst nach erfolgter Realteilung abgegeben wurde, machte der Kläger eine Ansparabschreibung für die beabsichtigte Anschaffung eines Pkw als (Sonder-)Betriebsausgabe geltend. Das Finanzamt ließ die Ansparabschreibung mit der Begründung unberücksichtigt, dass diese betriebsbezogen sei und die Realteilung eine Betriebsaufgabe darstelle.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Nach dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Förderungszweck ist der Sonderbetriebsausgabenabzug auch dann zuzulassen, wenn sich die beabsichtigte Investition erst im Betriebsvermögen eines nach der Realteilung fortgeführten Unternehmens niederschlagen kann. Dies dann, sofern der Einzelunternehmer seine bisher im Rahmen der Mitunternehmerschaft erbrachte unternehmerische Tätigkeit unter Einsatz seines bisherigen Betriebsvermögens unverändert fortführt. Mit der Übernahme des hälftigen Mandantenstamms, den zu Buchwerten übernommenen Teilen der Fachliteratur und des Mobiliars hat der Kläger keinen neuen Betrieb gegründet, sondern lediglich sein bisheriges unternehmerisches Engagement fortgeführt.

Konsequenz
Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde die bisherige Ansparabschreibung ab 2007 durch einen außerbilanziellen Investitionsabzugsbetrag ersetzt. Aber auch nach der neuen Rechtslage dürfte die Entscheidung des BFH in vergleichbaren Fällen zum Tragen kommen.

11. Vorsätzliche Manipulation der Arbeitszeiterfassung rechtfertigt fristlose Kündigung

Kernaussage
Die Parkplatzsuche eines Arbeitnehmers auf dem Firmenparkplatz ist grundsätzlich noch keine Arbeitszeit. Wird die Suche dennoch als Arbeitszeit erfasst, kann dieses Verhalten eine fristlose Kündigung rechtfertigen; so entschied kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Sachverhalt
Die Klägerin, Verwaltungsangestellte einer Krankenkasse, war seit über 17 Jahren dort beschäftigt und wegen ihrer langen Betriebszugehörigkeit aufgrund des anwendbaren Tarifvertrages ordentlich kündbar. Die Mitarbeiter hatten Beginn und Ende ihrer Arbeitszeiten minutengenau in einem elektronischen Zeiterfassungssystem zu dokumentieren. Nach dem Tarifvertrag begann und endete die Arbeitszeit "an der Arbeitsstelle". Dementsprechend waren die Arbeitnehmer schriftlich darauf hingewiesen worden, dass jegliche Manipulation der Zeiterfassung arbeitsrechtliche Konsequenzen haben werde. Die Klägerin erfasste dennoch an 7 Arbeitstagen Zeiten von insgesamt 135 Minuten, die vor Erreichen des Arbeitsplatzes angefallen waren, als Arbeitszeit. Die gegen die daraufhin folgende fristlose Kündigung erhobene Klage blieb schließlich vor dem BAG erfolglos.

Entscheidung
Die fristlose Kündigung war wirksam, weil die Klägerin wiederholt gegen ihre Pflicht zur fehlerlosen Dokumentation der Arbeitszeit verstoßen hatte. Entgegen der Ansicht der Klägerin begann deren Arbeitszeit nämlich nicht schon dann, wenn sie die Parkplatzeinfahrt durchfahren habe. Die Suche nach einem Parkplatz zählte nach den Dienstbestimmungen ausdrücklich nicht als Arbeitszeit. Der begangene Arbeitszeitbetrug stellte einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung dar; das vorsätzliche Falscherfassen der Arbeitszeit war als schwerer Vertrauensbruch zu werten. Eine vorherige Abmahnung sahen die Richter ebenfalls nicht als erforderlich an: wegen des vorsätzlichen heimlichen Verhaltens der Klägerin musste der Arbeitgeber die Pflichtverletzung unabhängig von einer Wiederholungsgefahr nicht hinnehmen.

Konsequenz
Erfolgt die Täuschung über die Arbeitszeit heimlich und mit Vorsatz, bedarf es für die fristlose Kündigung noch nicht einmal einer vorherigen Abmahnung.

12. Verkauf eines Gewerbebetriebs im Nachlass durch den Verwalter innerhalb der Sperrfrist ist schädlich

Kernaussage
Im Rahmen des Erwerbs durch Schenkung oder von Todes wegen sieht das Gesetz bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen eine Steuerbefreiung für Betriebsvermögen bzw. einen verminderten Wertansatz vor. Diese Steuerbefreiung entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit der Erwerber innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb den Gewerbebetrieb oder Gesellschaftsanteile veräußert. Hierzu entschied das Hessische Finanzgericht (FG) kürzlich, dass auch die Veräußerung der Geschäftsanteile einer zum nachlass gehörenden GmbH & Co. KG durch den Nachlasspfleger eine schädliche Verfügung darstellt, die sich der Erbe zurechnen lassen muss.

Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Berücksichtigung des Freibetrages für Betriebsvermögen nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sowie einen verminderten Wertansatz für einen zum Nachlass gehörenden, in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betriebenen, Gewerbebetrieb und entsprechende Herabsetzung der Erbschaftssteuer auf den Erwerb von Todes wegen nach seiner Großmutter (Erblasserin). Für den 1997 erworbenen Nachlass war ein Nachlasspfleger bestellt worden, der den Gewerbebetrieb bzw. die Anteile an der GmbH & Co. KG sowie der Komplementär-GmbH im Jahr 2000 veräußerte. Das beklagte Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger - und weiteren als Erben beteiligten Personen - jeweils Erbschaftsteuer fest. Einspruch und Klage dagegen blieben erfolglos; die Revision zum Bundesfinanzhof wurde nicht zugelassen.

Entscheidung
Freibetrag und verminderter Wertersatz wurden zu Recht wegen des Verkaufs der Geschäftsanteile an der KG und der Komplementär-GmbH versagt. Nach den einschlägigen Vorschriften des ErbStG bleiben u. a. Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften im bei einem Erwerb von Todes wegen bis zu einem Wert von 500.000,00 DM außer Ansatz, wobei für den Fall, dass vom Erblasser keine Aufteilung des Freibetrages verfügt wurde, dieser jedem Erben entsprechend seinem Erbteil zusteht. Nach Anwendung der Freibetragsregelung ist der verbleibende Wert des Vermögens mit 60 vom 100 anzusetzen (verminderter Wertansatz). Diese steuerlichen Vergünstigungen fallen jedoch rückwirkend weg, wenn der Erwerber das erworbene Vermögen innerhalb von 5 Jahren seit dem Erwerb verkauft. So war es auch im Streitfall: der Kläger musste sich als Erwerber das schädliche "Veräußerungs"-Verhalten des Nachlassverwalters innerhalb der Behaltensfrist zurechnen lassen.

Konsequenz
Der Wegfall des Freibetrags und des verminderten Wertansatzes tritt unabhängig davon ein, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen bzw. der Geschäftsanteil veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde.

13. Beamte dürfen streiken

Kernaussage
Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung war Beamten das Streikrecht verwehrt. In Abkehr davon entschied das Verwaltungsgericht Kassel aktuell, dass auch Beamte grundsätzlich streiken dürfen, sofern sie nicht im Bereich der Eingriffsverwaltung, der Polizei und der Landesverteidigung tätig sind. Lehrern jedenfalls soll das Recht zum Streik zustehen.

Sachverhalt
Die Kläger, 2 Lehrer an Kasseler Schulen, hatten sich im November 2009 an einem von der GEW organisierten Streik beteiligt und blieben für 3 Stunden dem Dienst fern. Die GEW hatte zum Streik aufgerufen, um u. a. gleiche Arbeitszeiten für Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst zu erreichen. Wegen ihrer Teilnahme am Streik wurden die Kläger vom zuständigen Schulleiter mit einer schriftlichen Missbilligung belegt. Dagegen setzten sie sich zur Wehr und vertraten die Auffassung, eine Dienstpflichtverletzung liege nicht vor. Das Staatliche Schulamt war hingegen der Ansicht, das Streikverbot für Beamte gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums.

Entscheidung
Das Gericht folgte der Ansicht der klagenden Lehrer. Entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde entschieden, das Streikrecht könne auch Beamten zustehen, soweit sie nicht hoheitlich, d. h. im Bereich der Eingriffsverwaltung, der Polizei und der Landesverteidigung tätig seien. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bereits 2008 und 2009 in 2 Entscheidungen zur Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit festgestellt hatte, dass das Streikrecht für öffentliche Bedienstete zwar eingeschränkt werden könne, jedoch nur unter engen Voraussetzungen; denn es dürfe nur bestimmte Gruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes betreffen, nicht aber den öffentlichen Dienst insgesamt. Das Grundgesetz müsse insofern unter Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgelegt werden. Davon ausgehend seien die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums dahingehend fortentwickelt worden, dass das ursprünglich für alle Beamten geltende Streikverbot allenfalls noch für bestimmte, abgrenzbare Gruppen von Beamtinnen und Beamten gelte, nämlich nur für Mitglieder der Streitkräfte, Polizei oder Staatsverwaltung.

Konsequenz
Lehrer gehören nicht zu den in der EMRK abschließend aufgeführten öffentlichen Bediensteten; ihnen kann daher kein Streikverbot auferlegt werden. Allerdings hat das Gericht die Berufung zum Verwaltungsberichtshof zugelassen, so dass die endgültige Entscheidung abzuwarten bleibt.

14. Schuldrechtliche Abreden gelten nicht bei Betriebsübergang

Kernaussage
Grundsätzlich werden auch die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach einem Betriebsübergang kraft gesetzlicher Regelung Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber. Zu diesen rechtlichen Bestimmungen zählen auch die in einer zuvor vereinbarten Tarifregelung bereits abschließend festgelegten dynamischen Entwicklungen, die allein vom Zeitablauf abhängig sind. Hierzu entschied das Bundesarbeitsgericht (BSG) nun, dass lediglich schuldrechtliche Abreden der Tarifvertragsparteien nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden.

Sachverhalt
Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und war seit 1991 bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt. Für ihr Arbeitsverhältnis galt kraft Tarifgebundenheit der BAT-O in der Fassung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Der zu Beginn des Jahres 2003 geschlossene Vergütungstarifvertrag (VTV) Nr. 7 zum BAT-O sah u. a. vor, dass "die Anpassung des Bemessungssatzes" für die Vergütung der wie die Klägerin eingruppierten Angestellten auf das Tarifniveau "West" (100 %) "bis zum 31.12.2007 abgeschlossen wird". Am 1.4.2005 ging ihr Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsüberganges auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Zum 1.1.2008 wurde für die betreffenden Entgeltgruppen der Bemessungssatz auf 100 % angehoben. Die Klägerin verlangt nunmehr ein Entgelt und die Vergütung von Mehrarbeitsstunden nach einem Bemessungssatz von 100 % auf Basis der Entgelttabellen zum TVöD. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung
Zwar gehört zu den anlässlich des Betriebsübergangs auf die Beklagte in das Arbeitsverhältnis übergegangenen Rechten und Pflichten auch eine von den Tarifvertragsparteien bereits zuvor abschließend geregelte Entgeltsteigerung. Bei der im VTV Nr. 7 vorgesehenen Anpassung auf 100 % des Tarifniveaus "West" handelt es sich jedoch nicht um eine normativ wirkende Inhaltsnorm, sondern lediglich um eine schuldrechtliche Abrede der Tarifvertragsparteien, die nur zwischen diesen wirkt. Sie beinhaltet keine durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags geregelten Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses, die nach einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber werden.

Konsequenz
Auch wenn man mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgeht, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) nicht die sich aus den Tarifnormen ergebenden Arbeitsbedingungen Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden, sondern die Tarifnormen zu Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien in das Arbeitsverhältnis eingehen, kann keine Bindung des Betriebserwerbers an spätere Stufen eintreten. Die Vorschrift betrifft ausschließlich den normativen Teil eines Tarifvertrags. Hinsichtlich der schuldrechtlichen Teile scheidet eine Weitergeltung als Arbeitsvertragsinhalt aus.

15. Zur Höhe der Abfindungszahlung für ausgeschiedenen GbR-Gesellschafter

Kernaussage
Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Schiedsgutachtenabrede, wonach bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Abfindungsguthabens dieses von einem Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter ermittelt werden soll, entspricht es allgemeiner Meinung, dass die Klage "als zur Zeit unbegründet" abzuweisen ist, wenn der beweispflichtige Kläger die Höhe des Anspruchs nicht durch Vorlage des Gutachtens darlegen kann. Unterlässt die zur Benennung des Schiedsgutachters ermächtigte Vertragspartei innerhalb objektiv angemessener Zeit (hier 2 Jahre) die Benennung und die Einholung des Gutachtens, hat die Bestimmung der Höhe des Abfindungsguthabens durch Urteil des angerufenen Gerichts zu erfolgen.

Sachverhalt

Der Kläger hat sich mit 2 Beitrittserklärungen jeweils in einer sogenannten "Haustürsituation" an der beklagten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die wiederum an Investmentgesellschaften beteiligt ist. Der Kläger leistete auf die Beitrittserklärungen die Einmalzahlungen nebst Agio und in der Folgezeit weitere Raten. Im Hinblick auf die Haustürsituation wurden die Beitrittserklärungen sodann von dem Kläger widerrufen. Die Beklagte errechnete zunächst ein "negatives Abfindungsguthaben" für den Kläger, korrigierte dieses jedoch später auf ein Abfindungsguthaben zugunsten des Klägers von 78 EUR. Mit der Klage verlangt der Kläger seine Einlageleistungen in Höhe von rd. 15.000 EUR zurück. Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage als derzeit unbegründet ab.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Berufungsurteil aufgehoben und an das OLG zurückgewiesen. Der Kläger hat seine Beitrittserklärungen aufgrund der sogenannten Haustürsituation wirksam widerrufen. Allerdings steht ihm kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlagen zu. Die Folgen des Widerrufs bestimmen sich vielmehr nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft. Danach hat der Kläger generell einen Anspruch auf Zahlung eines Abfindungsguthabens (§ 738 BGB). Der Gesellschaftsvertrag enthält aber eine Schiedsgutachtenabrede, wonach die Höhe des Abfindungsguthabens bei Meinungsverschiedenheiten von einem Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter ermittelt werden soll, was nicht geschehen ist. Allerdings oblag es vertraglich der Beklagten, den Gutachter zu benennen. Die Nichtbenennung des bestimmungsberechtigten Dritten durch die hierzu verpflichtete Beklagte außerhalb objektiv angemessener Zeit hat zur Folge, dass die Bestimmung der Leistung durch Urteil des angerufenen Gerichts zu erfolgen hat.

Sofern in Gesellschaftsverträgen Schiedsabreden im Zusammenhang mit der Bestimmung der Abfindungsleistung verwendet werden, ist zu überlegen, welcher Partei das Ernennungsrecht zugewiesen wird. Zur Vermeidung von Streitigkeiten kann die Benennung z. B. auch durch die IHK oder das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) erfolgen.

16. Keine Arbeitnehmer-Haftung bei Strafanzeigen gegen Arbeitgeber

Kernfrage/Rechtslage
Sogenanntes "Whistleblowing", das öffentliche Bekanntmachen von Missständen beim Arbeitgeber, ist von dem Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst, so dass eine darauf gestützte fristlose Kündigung unbegründet sein kann. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst Arbeitnehmer geschützt, die ihren Arbeitgeber berechtigterweise "an den Pranger" gestellt haben und dafür gekündigt wurden. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber ungerechtfertigter Weise wegen Missständen beschuldigt, für diejenigen Schäden aufkommen muss, die sein Arbeitgeber dadurch erlitten hat.

Sachverhalt
Nach einer Kündigung gegenüber einer Ärztin gingen gegen die Klinik und den Klinikleiter, gestützt auf interne Fakten, anonyme Anzeigen wegen fahrlässiger Tötung bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Presse ein. Die Vorwürfe waren haltlos; Straftaten nicht zu beweisen. Der Klinik entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Lebensgefährte der gekündigten Ärztin die anonymen Anzeigen verfasst hatte. Mit ihrer Klage machte die Klinik einen Teil des Schadens gegen die Ärztin und ihren Lebensgefährten geltend und verlor.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht sah keine Haftungsgrundlage für die Arbeitnehmerin und den Lebensgefährten, ließ allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Zur Begründung führte es aus, dass es an einer ausreichenden Kausalität fehle. Arbeitnehmerin und Lebensgefährte hätten nicht damit rechnen müssen, dass der Fall in dieser konkreten Weise in die Öffentlichkeit getragen würde. Im Übrigen sei die Erstattung einer Strafanzeige ein rechtlich geschütztes Verhalten, das nur bei Mutwilligkeit oder völliger Haltlosigkeit ein kausales pflichtwidriges Verhalten darstellen und zum Schadensersatz führen könne.

Konsequenz
Sollte der Fall in die Revision gehen, wird sein dortiger Ausgang mit Spannung abzuwarten sein. Einstweilen kann sich der Strafanzeige erstattende Arbeitnehmer (wirtschaftlich) sicher fühlen. Im Zusammenspiel mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verwundert die Entscheidung allerdings, weil sich die Rechtslage - verkürzt dargestellt - so verhält, dass der berechtigt Strafanzeige stellende Arbeitnehmer vor Kündigung geschützt ist und der unberechtigt Strafanzeige stellende Arbeitnehmer keine wirtschaftlichen Folgen zu fürchten braucht.

17. HIV Infektion ist (für sich genommen) keine Behinderung

Rechtslage
Auch wenn es im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausdrücklich anders geregelt ist, ist inzwischen mit der Rechtsprechung unstreitig, dass die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes aufgrund europäischer Vorschriften auch auf Kündigungen anwendbar sind. Danach sind unter anderem diskriminierende Kündigungen wegen einer Behinderung untersagt. Das Arbeitsgericht Berlin hat jetzt darüber entschieden, ob eine HIV Infektion eine Behinderung darstellt oder nicht.

Sachverhalt
Der HIV-infizierte Kläger war vom Arbeitgeber, einem Pharmaunternehmen, in der Probezeit wegen seiner HIV-Infektion gekündigt worden. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit dem Argument, die HIV-Infektion stelle eine Behinderung dar, aufgrund derer er diskriminiert worden sei und verlangte die Zahlung einer Entschädigung. Daraufhin führte der Arbeitgeber arbeitssicherheitstechnische Gründe für die Kündigung ins Feld. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab.

Entscheidung
Ungeachtet der Tatsache, dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung fand, weil der Kläger noch keine 6 Monate beschäftigt gewesen war, urteilte das Gericht im Hinblick auf die Entschädigung, dass die bloße Infektion mit dem HIV-Virus (noch) keine Behinderung darstelle. Insbesondere sei der Kläger zwar infiziert, aber (noch) nicht in seiner Erwerbstätigkeit eingeschränkt gewesen.

Konsequenz
Die Entscheidung kann noch mit Berufung angegriffen werden; der weitere Verfahrensverlauf wird mit Spannung abzuwarten sein. Jedenfalls dann, wenn die Grenze der bloßen Infizierung überschritten wird und die Krankheit ausbricht, dürfte eine andere Haltung der Arbeitsgerichte zu erwarten sein. Dann wird sich zeigen, ob in diesem Fall die Arbeitssicherheit Rechtfertigung für ein gegebenenfalls diskriminierendes Verhalten sein kann.

18. Fristlose Kündigung bei erheblichem Überziehen der Pausenzeiten

Rechtslage
Die Rechtsprechung zu außerordentlichen Kündigungen aufgrund von bewusst wahrheitswidrig erfasster Arbeitszeit erscheint vor dem Hintergrund jüngerer Entscheidungen, in denen (geringfügige) Straftaten nicht mehr zur fristlosen Kündigung berechtigten, "auf dem Prüfstand" zu stehen. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte nunmehr in einem solchen Fall - allerdings in einem sicherheitsrelevanten, sensiblen Berufszweig - hierzu zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Kläger war seit 2001 als Fluglotse beschäftigt. Während der Nachtschichten ist nach den geltenden Flugsicherungs-Vorschriften eine Besetzung des Towers mit 2 Fluglotsen vorgeschrieben. Die Pausen von je 2 Stunden müssen die Fluglotsen untereinander absprechen. Sie müssen zudem auch in der Pause erreichbar sein. Aus Videoaufzeichnungen ergab sich, dass der Kläger entgegen seinen Eintragungen im Arbeitsplatznachweis an 4 Nächten im August 2009 und in einer Nacht im September 2009 zwischen 20 und 45 Minuten länger Pause gemacht hatte. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.

Entscheidung
Anders als noch die erste Instanz hielt das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung für wirksam. Dem Kläger sei bekannt gewesen, welche Risiken entstehen können, wenn nicht genügend Fluglotsen am Platz seien. Er wusste zudem, dass es gerade deshalb 6 Wochen zuvor nachts zu einer gefährlichen Annäherung zweier Flugzeuge gekommen war. Zu Lasten des Klägers kam hinzu, dass er Arbeitsnachweise falsch ausgefüllt hatte, um so vorschriftsmäßige Pausen vorzuspiegeln. Angesichts der Schwere und möglichen Sicherheitsgefährdung sei dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen. Der Arbeitsplatz eines Fluglotsen erfordere unverzichtbar Zuverlässigkeit; der Kläger habe damit rechnen müssen, dass sein Verhalten nicht hingenommen werden würde.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend. Mit ihr wird zudem deutlich, dass es Arbeitsplätze in sensiblen Bereichen gibt, in denen Abmahnungen in der Regel nicht ausreichend wären. Ungeachtet dessen bleibt eine Einzelfallabwägung erforderlich; eine andere Entscheidung wäre beispielsweise bei nur einem oder 2 Verstößen denkbar.

19. Kein zwangsläufiger Gestaltungsmissbrauch bei inkongruenter Gewinnausschüttung

Kernaussage
Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten liegt nicht zwangsläufig vor, wenn anlässlich einer unentgeltlichen Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine Gewinnausschüttung ausschließlich zugunsten des ausscheidenden Gesellschafters erfolgt.

Sachverhalt
Die Klägerin hielt eine Beteiligung von 40 % am Stammkapital einer GmbH. Im September 2000 übertrug sie ihren Geschäftsanteil unentgeltlich auf ihren Mitgesellschafter. In der gleichen notariellen Urkunde wurde eine Satzungsänderung dahingehend beschlossen, dass durch Beschluss eine von der Höhe der Beteiligungen abweichende Gewinnverteilung erfolgen kann. Sodann wurde ausgehend von einem in der Vergangenheit thesaurierten Gewinn der GmbH eine Gewinnausschüttung ausschließlich zugunsten der Klägerin in Höhe von 1,1 Mio. EUR beschlossen. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der GmbH vertrat das beklagte Finanzamt die Auffassung, es handele sich um eine inkongruente Gewinnausschüttung, die sich als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstelle. Die Anteilsübertragung sei eine entgeltliche Übertragung, so dass sich bei der Klägerin ein Veräußerungsgewinn realisiere. Die Klägerin meinte hingegen, dass unter wirtschaftlicher Betrachtung der auf sie entfallende Teil der offenen Rücklagen mit ausgeschüttet worden sei.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die GmbH hat an die Klägerin Gewinne ausgeschüttet, die von der Klägerin als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern sind. Ein Missbrauch von Gestaltungsmitteln liegt nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zu Grunde liegen, der Steuerumgehung dient, ansonsten aber nicht. Die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung war weder in ihren einzelnen Schritten noch insgesamt als unangemessen zu beurteilen. Die Gesellschafterversammlung hatte gesellschaftsrechtlich zulässig eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttung beschlossen. Die Ausschüttung erfolgte der Höhe nach entsprechend der Beteiligung an den thesaurierten Gewinnen der Vergangenheit, so dass die Ausschüttung allenfalls zeitlich inkongruent sein konnte.

Konsequenz
Jeder Steuerpflichtige hat das Recht, seine Angelegenheiten steueroptimal zu gestalten. Das Recht wird durch die Regelungen der Abgabenordnung (AO) und die weitgehende Auslegung der Finanzverwaltung erheblich eingeschränkt, so dass diese Entscheidung zu begrüßen ist. Aufgrund der anhängigen Revision bleibt nun die Entscheidung des Bundesfinanzhofs abzuwarten.

20. Tatsächliche Durchführung eines Treuhandvertrags unter Ehegatten

Kernaussage
Ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis zwischen nahen Angehörigen muss nach den getroffenen Absprachen und nach deren tatsächlichem Vollzug zweifelsfrei erkennen lassen, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt. Es muss ferner dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen.

Sachverhalt
Der Kläger (Ehemann) ist zur Hälfte an einer GmbH beteiligt. Die Klägerin (Ehefrau) erwarb im April 2005 ein Geschäftshaus und vermietete es an die GmbH. Zugleich schlossen die Kläger einen Treuhandvertrag ab, wonach sich der Kläger als Treuhänder verpflichtete, die Finanzierungsdarlehen und alle damit im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte nach außen hin im eigenen Namen aber für Rechnung der Klägerin als Treugeberin aufzunehmen. Im Innenverhältnis hatte der Kläger einen Anspruch auf Aufwendungsersatz. Sodann nahm der Kläger 2 Darlehen auf, deren Tilgung durch die ebenfalls abgeschlossenen Bausparverträge erfolgen sollte. Die Klägerin führte die vereinnahmte Miete abzüglich der umlagefähigen Kosten an den Kläger ab. Die Mieten reichten jedoch nicht aus, um die monatlichen Kreditzinsen für die Darlehen und die Einzahlung in den Bausparvertrag zu decken. Die überschießenden Bausparbeiträge in Höhe von monatlich 2.090 EUR zahlte der Kläger daher auf eigene Rechnung. Die Klägerin machte Schuldzinsen und Geldbeschaffungskosten als Werbungskosten geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte den Abzug wegen Drittaufwands ab.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der Bundesfinanzhof wies sie ab. Eine Zuordnung aufgrund des Treuhandvertrages scheiterte daran, dass der Vertrag aufgrund mangelnder tatsächlicher Durchführung steuerrechtlich nicht anerkannt werden konnte. Ein tatsächlicher Vollzug muss zweifelsfrei erkennen lassen, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt. Vorliegend hat die Klägerin jedoch nicht ihre aus dem Treuhandvertrag entspringenden Hauptpflichten wie vereinbart erfüllt, denn der Kläger trug einen nicht unerheblichen Teil der Aufwendungen auf eigene Rechnung (2.090 EUR). Damit wurde der gesamte Vertrag der Besteuerung nicht zugrunde gelegt.

Konsequenz
Vor Abschluss von Verträgen mit Angehörigen ist zu prüfen, ob der vorgesehene Leistungsaustausch auch mit Dritten wirtschaftlich vernünftig wäre und wie die markt- und verkehrsüblichen Rahmenbedingungen beschaffen sind. Alle Vereinbarungen sind schriftlich zu treffen. Die geschuldeten Leistungen müssen fristgerecht und voll erbracht werden. Von einem Leistungsaustausch über gemeinsame Familienkonten sollte abgesehen werden.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen




Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de